Augmented Reality | Extended Reality

Der AR 3D Content Hürdenlauf

Ein Beitrag von Marie Williere
26. November 2020
Jeder der schon mal eine AR App ausprobiert hat weiß, dass das Herzstück dieser Anwendung oftmals ein 3D Modell ist, das zuvor liebevoll durch einen 3D Artist (oder durch andere Vorgehensweisen) designt und optimiert wurde. Je nach Modell und Dateiformat können da schon einige Stunden an Arbeit hineinfließen. Was aber steckt hinter dem Begriff “AR Content” und warum wird Content oft als Hürde in Augmented Reality gesehen? Alle wichtigen Infos gibt es heute in meinem Blogbeitrag.

AR Content erstellen – die Grundlagen

Bevor wir in die Materie so richtig eintauchen, gibt es eine Reihe von Begriffen, die im Zusammenhang mit AR Anwendungen und AR Content immer wieder auftauchen. Deshalb habe ich hier zuerst mal ein Mini-Glossar zusammengestellt:

  • AR Content. Hat man eine AR Anwendung, kann man viele verschiedene Arten von Content in diese App einfügen. Das können Bilder, Videos oder einfach nur Texte sein. In meinem konkreten Fall spreche ich aber über AR 3D Content, also ein 3D Modell das so aufbereitet ist, dass man es in einer AR App verwenden kann.

  • rendern. Der Begriff bezeichnet in der Informationstechnik das endgültige Fertigstellen eines vorher programmierten oder mit einem Designprogramm angefertigten Rohdesigns, das durch das Rendern erst zu einem endgültigen Bild (oder in unserem Fall zu einem 3D Modell) wird.

  • Polygoncount. Klingt ziemlich fancy, wenn man es auf Deutsch übersetzt erklärt sich der Begriff aber schon fast von alleine. Die meisten 3D Modelle in AR oder VR Anwendungen bestehen aus Dreiecken (in der Fachsprache sagt man das auch polygonales Modell). Das hat damit zu tun, dass Grafikkarten mit dieser “Übersetzung” von Modellen am besten zurechtkommen. Die Anzahl der Dreiecke in einem Modell ist also der Polygoncount. Je nachdem, wie hochaufgelöst eine Darstellung sein soll, desto mehr Dreiecke besitzt das Modell. Der AR Content wird dementsprechend auch detailgetreuer. Was im Umkehrschluss aber bedeutet, je mehr Polygone ein Modell hat, desto rechenintensiver wird es.

  • Meshes. In der 3D-Computergrafik und der Volumenmodellierung ist ein Polygonnetz eine Sammlung von Eckpunkten, Kanten und Flächen, die die Form eines Objekts definiert. Die Flächen bestehen in der Regel aus Dreiecken, Vierecken oder anderen einfachen konvexen Polygonen. Ein Mesh ist also im Grunde nichts anderes als ein 3D Modell, dass aus vielen Polygonen besteht.

Methoden in der Contenterstellung

Vorweg: 3D Content ist nicht gleich 3D Content und aus diesem Grund kann auch nicht jedes Dateiformat für AR Content herangezogen werden. Eine der häufigsten Fragen die wir gestellt bekommen ist “Kann ich meine CAD Daten für meine AR Anwendung verwenden?” Die Antwort: Ja und Nein. Also was jetzt? Man kann die CAD Dateien grundsätzlich schon für eine AR Anwendung verwenden, als Grundlage sozusagen. Oftmals wird eben eine CAD-Datei z.B. als STL Datei exportiert und muss dann nicht nachgebaut, sondern „nur“ optimiert werden. Von Grund auf modelliert wird eigentlich nur dann, wenn nur Zeichnungen/Bilder oder 2D Konstruktionszeichnungen vorhanden sind. Ich habe aber auch eine gute Nachricht für euch: gibt es CAD Daten im Unternehmen (also z.B. in Form von Skizzen, Zeichnungen, Bildern oder auch 2D Konstruktionszeichnungen), ist es für den 3D Artist ein leichtes, das Modell nachzubauen. Und wenn ich von “nachbauen spreche” meine ich 3D modellieren, eine mögliche Vorgehensweise, um einen AR 3D Content zu erstellen.

  • 3D Modellierung. Es braucht wie bereits gesagt einen 3D Modellierer, der das Modell von Grund auf “nachbaut”. Dazu gibt es eigene Softwares, die genau für diesen Usecase entwickelt wurde. Eines der wohl bekanntesten 3D Modellierungs-Tools ist Blender. Aber es gibt auch andere Anbieter wie z.B. 3DSMax oder Autodesk Maya (noch mehr Alternativen findest du hier.

Bild eines 3D Modells in Blender

  • Doch das Ende der AR-Content-Erstellungs-Fahnenstange ist noch nicht erreicht, denn es gibt auch die Möglichkeit mittels 3D Scanning Modelle zu erstellen. Aber wie funktioniert das genau? Nehmen wir als Beispiel eine Kaffeetasse. Möchte ich diese in Form eines 3D Modells darstellen, kann ich es entweder mit Hilfe eines 3D Scanners “ausmessen” oder mittels Photogrammmetrie (also das abfotografieren der Kaffeetasse aus vielen verschiedenen Perspektiven, aus denen dann das 3D Modell entsteht) nachbauen. Diese beiden Methoden haben den Vorteil, dass sie sehr realitätsnah sind. Umgekehrt bedeutet das aber auch, dass die Dateigröße zunimmt. Es braucht also auch in diesem Fall eine händische Optimierung des AR Contents.

 

AR Content muss optimiert werden

Ist der AR Content erst einmal geliefert, so muss das Modell noch optimiert werden. Beim Designen durch einen 3D Artist wird das normalerweise gleich direkt während des Erstellens gemacht. Hat man das Modell aber aus anderen Quellen erhalten, muss das oft noch händisch nachbearbeitet werden. Und auch hier fließt nicht selten sehr viel Zeit in die Optimierung des AR Contents.

Die Optimierung hat aber einen ganz einfachen Grund: Smartphones und Tablets haben nur eine beschränkte Rechenleistung. Damit das AR Erlebnis trotzdem ein Positives ist und die Darstellung fehlerfrei und performant gewährleistet wird, muss das Modell eben optimiert werden.

Aber was bedeutet “ein 3D Modell optimieren” überhaupt? Wie Eingangs schon beschrieben, besteht das Objekt aus vielen, vielen Dreiecken. Das bedeutet aber auch, dass an Innenseiten und Oberflächen, die in der Endversion gar nicht sichtbar sind, Dreiecke sind, die Rechenleistung beim Rendern beanspruchen. Da sie das AR Erlebnis aber nicht beeinflussen, kann man sie guten Gewissens “wegoptimieren”. Das gleiche gilt auch für sehr feine Darstellungen. Sollte eine einzelne Schraube nicht gerade das Herzstück meines 3D Modells sein, kann ich auch hier den Detaillierungsgrad reduzieren. Wichtig allerdings: der Grad zwischen “viel optimieren” und “detailgetreues Modell” ist ein schmaler, es zahlt sich also absolut aus, hier einen Profi Hand anlegen zu lassen.

Eine berechtigte Frage die sich in diesem Zusammenhang auftut, ist die Frage, wieso diese Optimierung nicht von einer Software vollautomatisch übernommen werden kann. Die letzte Hürde in unserem AR Content Hürdenlauf ist also, dass es fast immer zwingend eine Person braucht, um diesen finalen Schritt durchzuführen, denn die Ergebnisse, die automatische Optimierungen erreichen sind einfach (noch) nicht zufriedenstellend.

Nicht selten wird heute eine Kombination aus Mensch und Maschine angewandt, um die Modelle zu optimieren. Es braucht zum einen eine Vorbereitung auf die Optimierung, d.h. das Modell muss von mir “optimierungs-bereit” gemacht werden. Nachdem die Software ihre Wunder getan hat, muss der Mensch aber final immer noch nach Fehlern suchen und sie gegeben falls auch ausbessern.

 

Die Hürden, die zu nehmen sind

Die erste Hürde beginnt schon bevor das Modell überhaupt designt wird. Man sollte sich zunächst immer fragen, ob es überhaupt Sinn macht, bestimmte Objekte in 3D nachzubauen. Was meine ich damit? Wie bereits eingangs angesprochen, fließt je nach Modell schon viel Zeit in die Erstellung des AR Contents und dabei muss man sich immer vor Augen halten, ob der Nutzen zum Aufwand in Relation steht. Ein einfaches Beispiel: Ikea hat eine AR App veröffentlicht die natürlich nur dann Sinn für den Kunden macht, wenn er eine möglichst große Auswahl an Möbelstücken in verschiedenen Farben und Größen hat, um sie in seine Wohnung zu augmentieren. Je mehr Möbelstücke aber in der App angeboten werden, desto mehr Aufwand entsteht in der Modellierung. Ihr seht also, man muss immer abwägen, wie viel Zeit zur Erstellung und Optimierung des AR Contents gesteckt werden soll und wie viel Nutzen man sich davon erhofft. Ein Gap, der nicht irrelevant für die Skalierbarkeit der Anwendung ist. Gleichzeitig kann es für viele Anwendungsbereichen aber auch einen enormen Mehrwert bringen, Objekte als 3D Modell in einer AR Anwendung darzustellen. Ein Beispiel wäre in der Wartung oder der Mitarbeiterschulung. Die Vorteile überwiegen hier eindeutig dem Aufwand.

Hat man diese Frage erst einmal geklärt, steht man aber direkt vor der nächsten Hürde. Wie kommt mein Objekt nun in meine App? Viele Unternehmen verfügen über CAD Daten, die aber eben nicht  immer in einer AR Anwendung verwendet werden können. Eine fachkundige Person muss das CAD Modell umbauen.

Ein konkretes Beispiel sind hier Animationen. Meist sind 3D Modelle statisch gezeichnet (z.B. eben in CAD Formaten), was dazu führt, dass eine Animation nachträglich hinzugefügt werden muss. Diese passiert leider nicht von alleine und wird in der Regel mit viel Liebe und Hingabe von einem 3D Artist übernommen.

Der Hürdenlauf ist aber noch immer nicht zu Ende. Denn auch der Polygoncount und der damit verbundene Detailgrad eines Modells ist ein weiterer Bereich, der das AR Erlebnis beeinflusst. Denn, je mehr Dreiecke mein Modell beinhaltet, desto größer wird das Modell und das wiederum bedeutet, dass es deutlich mehr Rechenleistung am Endgerät verbraucht, um das Modell zu laden (das erfolgt normalerweise 30 bis 60 mal pro Sekunde). Das ist vor allem bei neueren Geräten meist kein Problem mehr (unter der Voraussetzung, dass nicht unzählige Modelle hochaufgelöst in der App vorhanden sein sollen, denn auch das schafft die neueste Hardware nicht!). Vor allem aber ältere Smartphones oder Tablets kommen da schnell an ihre Leistungsgrenzen. Es ist also auch nicht unerheblich zu wissen, wer die AR App in Zukunft auf welchem Endgerät verwenden wird. Stichwort Optimierung ist aber auch hier wieder von zentraler Bedeutung “Wie viel Details braucht mein Modell, damit Nutzen und Erlebnis jeweils möglichst groß sind?”

 

 

Wie sieht die AR Content Zukunft aus?

 Vor allem im Bereich der AR Content Optimierung wird sich aus meiner Sicht noch viel tun. Es gibt derzeit nur wenig Ansätze, 3D Modelle vollautomatisch durch eine Software zu optimieren. Vor allem bei Zunahme des Komplexitätsgrades werden die von einem Programm erreichten Ergebnisse immer unzufriedenstellender. Artificial Intelligence wird es aber möglich machen, da bin ich mir sicher. Die Frage stellt sich nur, wann wird es soweit sein?

 Du bist auf der Suche nach noch mehr AR-Content-Infos? Stay tuned, ab Montag 1. Dezember gibt es passend dazu einen CodeFlügel Podcast auf unserer Webseite oder auf deiner Lieblings Musikplattform, wie Spotify, Deezer oder Apple Podcasts.

CodeFlügel Marie-Therese Williere

Über den Autor

Marie Williere

Marie ist bei CodeFlügel für den Vertrieb und das Marketing zuständig. Am Wochenende drückt sie die Studienbank am Campus02 und kämpft sich durch Bücher über Innovationsmanagement und Business Development. Hat sie ausnahmsweise mal in ihrer Freizeit nicht zu lernen, kocht und backt sie sehr gerne oder man findet sie in der Kletterhalle.

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