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Väterkarenz als Unternehmer – ist das überhaupt möglich?

Ein Beitrag von Claus Degendorfer
23. November 2017
Vaterkarenz
Gleich die Antwort vorweg: Ja. Wenn man ein gutes Team, die nötigen Strukturen und Organisationen aufgebaut hat.

Als ich vor über sechseinhalb Jahren mit Ende zwanzig gemeinsam mit Stefan unsere Firma gegründet habe, war das Thema Väterkarenz noch weit weg. In vielen Firmen, die wie wir in der Softwareentwicklung tätig sind, ist Karenz kein allzu großes Thema. Da der der Männeranteil oft überwiegt und das Thema Väterkarenz nach wie vor ein eher exotisches ist. Die Statistik sagt, dass in Österreich im Jahr 2011 durchschnittlich 0,3% aller erwerbsaktiven Männer Kinderbetreuungsgeld bezogen haben. Man könnte also meinen, dass man sich mit dem Thema in unserer technischen und nach wie vor männerdominierten Branche nicht wirklich auseinandersetzen muss.

 

 

Alles eine Frage der Kultur

Unsere Firmenkultur, die flexiblen Arbeitszeiten und die Weiterentwicklungsmöglichkeiten unserer Mitarbeiter sind uns sehr wichtig. Daher standen wir dem Thema von Anfang an aufgeschlossen gegenüber. Trotzdem muss ich zugeben, dass ich etwas überrascht war, als ein guter Freund und Mitarbeiter vor ca. zwei Jahren auf mich zukam und über seine Väterkarenz sprechen wollte. Da er eine Schlüsselposition in unserem Unternehmen hat, stellte sich bei uns natürlich die Frage, wie wir diese dreimonatige Abwesenheit kompensieren sollen. Nachdem eine Väterkarenz aber gut planbar ist und wir die Anfrage schon viele Monate vor dem tatsächlichen Antritt bekommen haben, ließ sich schlussendlich auch das organisieren. Mit entsprechenden Übergaben, Einschulung von Kollegen und Dokumentation von Projektinformationen war es uns möglich, die für uns lange Abwesenheit zu überbrücken.

 

 

Weil wir mit ca. 20 MitarbeiterInnen ja doch noch eine eher kleine Firma sind, kommt es im Tagesgeschäft natürlich immer auf jede/n Einzelne/n an. Nichtsdestotrotz haben wir von Anfang an darauf Wert gelegt, dass das Know-How aller Personen möglichst breit gestreut wird, um Urlaube, Krankenstände und eben auch Karenzen gut abfedern zu können. In Kombination mit unseren Projektmanagementtools und Arbeitsabläufen gelingt es uns meistens ohne viel Mehraufwand und entsprechend wenig Irritationen beim Kunden, die entsprechenden Vertretungen zu organisieren. Das funktioniert natürlich auch nur, weil unser Team sehr eingespielt ist und die Leute in den einzelnen Bereichen einen ähnlichen Wissensstand haben.

 

 

Karenz in der Chefetage

Wie funktioniert das Ganze aber für mich als Firmengründer und Geschäftsführer? An dieser Stelle muss ich sagen: eigentlich genau gleich. Ich habe Gott sei Dank einen wunderbaren Mitgründer und Geschäftsführer-Kollegen, auf den ich mich immer verlassen kann und der in meiner Abwesenheit viele meiner Arbeitsaufgaben übernommen hat. Auch meine Kollegin hat in meiner Abwesenheit enorm dazu beigetragen, dass ich nach meiner Rückkehr nicht einen riesigen Berg Arbeit, sondern eine funktionierende Firma vorgefunden habe. Sie hat meine Mails und Anrufe beantwortet und viele weitere Arbeitsaufgaben, die ich normalerweise mache, erledigt.

 

 

Nachdem neben meiner Rolle als Geschäftsführer mein Hauptaufgabengebiet im operativen Vertrieb liegt, habe ich mir vor der Karenz natürlich auch die Frage gestellt, ob meine Abwesenheit negative Folgen für meine Kundenbeziehungen haben wird. Ich habe deshalb vor Antritt der Karenz einige meiner Kunden über meine Väterkarenz, die Dauer meiner Abwesenheit und meine Vertretung informiert. Ich war wirklich sehr positiv überrascht, wieviel positives Feedback und Glückwünsche als Reaktion darauf folgten.

 

 

Jetzt, wo ich wieder zurück zur Arbeit komme, habe ich vor, es umgekehrt zu machen. Also mich wieder zurück melden und bei meinen Kunden „hallo“ sagen. Rein vertrieblich gesehen ist dieser Anlass auch wirklich eine gute Möglichkeit, wieder in Kontakt zu kommen und die Geschäftsbeziehungen aufleben zu lassen. Aber das war natürlich nicht der Hauptgrund meiner Karenz 😉

 

 

Warum Väterkarenz?

Wie bei den meisten Menschen, die in Karenz gehen, wollte ich natürlich viel Zeit mit meinem Kind verbringen. Und das war wirklich großartig. Ich bin extrem dankbar, in einer Phase die Kinderbetreuung unterstützen zu können, in der die Entwicklung so rasant passiert. Ich durfte beobachten, wie mein Sohn innerhalb meiner Karenzzeit gehen lernte und enorme Fortschritte in der sprachlichen Entwicklung machte. Es passierte wirklich täglich etwas Neues. Das habe ich auch gemerkt, als ich heuer im April eine Woche auf der Hannover Industriemesse war und mein Sohn nach meiner Rückkehr und nur einer Woche Abwesenheit die doppelte Krabbelgeschwindigkeit hatte als vorher 😉

 

 

Aber nicht nur die Entwicklung zu beobachten ist wichtig, sondern auch, ein Gefühl dafür zu bekommen, was Kinderbetreuung eigentlich heißt. Zu erfahren, wieviel Arbeit es ist, die Bedürfnisse eines Babys oder Kleinkindes optimal zu erfüllen war für mich extrem wertvoll. Es ist nämlich etwas ganz anderes, ob man diese Dinge quasi von außen erlebt oder selbst dafür verantwortlich ist. Vergleichbar ist es auch nicht mit „normaler“ Arbeit. Es ist 24/7 fremdbestimmter Bereitschaftsdienst mit permanentem Schlafenzug 😉 Das soll jetzt nicht schlimm oder abschreckend klingen, sondern einfach nur ehrlich. Trotz der körperlichen Anstrengung ist es wunderbar, seinem Kind dabei zuzusehen wie es die Welt entdeckt und jeden Tag mehr dazulernt.

 

 

Mein Fazit als Vater und Geschäftsführer

Wie du merkst, könnte ich jetzt noch ewig weiter schwärmen oder über meine Erfahrungen berichten. Ich denke aber, die grundlegende Message kommt rüber. Ich möchte alle (Väter) ermutigen, in Karenz zu gehen und diese Erfahrung zu machen. Was sind schon 2-3 Monate auf 10 oder 20 Jahre berufliche Zeit umgerechnet? Diese Zeit sollte für den Job hoffentlich kaum ins Gewicht fallen, bringt dir persönlich aber ungemein viel.

 

 

Unternehmerisch gesehen, bin ich derselben Meinung. Nachdem es in unserer Firma mit 20 MitarbeiterInnen mittlerweile schon insgesamt 3 Väterkarenzen gab, sprengen wir wohl alle Statistiken und Rekorde 😉 Und da es auch eines unserer obersten Ziele ist, ein attraktiver Arbeitgeber zu sein, ist das auch sehr gut so. Ich bin außerdem stolz, dass wir mittlerweile vier Frauen bei uns im Team haben. Ab Jänner verdoppeln wir auch den Frauenanteil unter unseren EntwicklerInnen! Also schauen wir mal, was in den nächsten Jahren in Punkto Karenz noch alles auf uns zukommen wird 😉

 

 

Und zum Schluss, für alle die sie erwartet hätten: Ich habe mich dazu entschlossen, keine Fotos von mir und meinem Sohn zu posten, obwohl ich mittlerweile wirklich viele davon habe 😉 Wer möchte, kann aber gern mit mir persönlich zu diesem Thema ins Gespräch kommen. Ich würde mich freuen!

 

 

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CodeFluegel Claus Degendorfer

Über den Autor

Claus Degendorfer

Claus ist Gründer, Eigentümer und Geschäftsführer der CodeFlügel GmbH. Er verbringt viel Zeit mit dem Firmenaufbau, Lernen und ständiger Weiterentwicklung. Die Themen, die ihn dabei besonders begeistern sind Führung, Strategie und Organisationsentwicklung. Dabei ist es ihm besonders wichtig, ein Umfeld zu schaffen, in dem Flow leicht und oft entsteht und sich High Performance mit Begeisterung verbindet. Die Zeit außerhalb der Firma verbringt er am liebsten mit seiner Familie oder beim Cruisen mit seiner Harley.

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